Was kann Forumtheater beim Thema Geld?

Was kann Forumtheater beim Thema Geld?

Erster Werkstattbericht von einer begonnenen Forschungsreise

Blogbeitrag von Nina Roob und Holger Kreft, 18. November 2022

Einladung zum Forumtheater im ersten öffentlichen Konvent im Projekt DialogRaumGeld (Foto: Leo Schenk)

Ein Geld-Konflikt

„Wieso bekomme ich kein Geld zu meinem Geburtstag, obwohl wir das in der Familie doch immer gegenseitig so machen? Ich will die üblichen 50 Euro!“, fordert das Geburtstagskind trotzig. „Wir dachten wir schenken dir mal etwas, das nicht mit Geld, sondern mit gemeinsamer Zeit zu tun hat“, erwidert die Tante über die selbstgebastelte Geburtstagskarte. „Ihr seid ja das Letzte, brecht die Vereinbarung…“, ruft da noch der Vater des Geburtstagskindes wütend, als eine Frauenstimme plötzlich „Stopp!“, ruft. Es wird deutlich: Wir befinden uns in einer fiktiven Szene. Eine Frau aus dem Publikum hat das Schauspiel angehalten, um nun selbst auf der Bühne die Rolle der Tante einzunehmen. Das Publikum und auch die Darstellenden der anderen Beteiligten erleben nun ihren Versuch einer alternativen Handlungsoption, um den Konflikt zu entschärfen.

Das ist „Forumtheater“!

Eine persönlich erlebte Konfliktsituation wird in einer kurzen Theaterszene nachgespielt und wiederholt, bis eine Person aus dem Publikum eingreift und mit einer alternativen Handlungsidee zur möglichen Lösung des Konflikts den Platz einer beteiligten Person in der Szene einnimmt. Die gesammelten „Rezepte“ zur Lösung des Konflikts können die Betroffenen gemeinsam reflektieren und vielleicht sogar später in ähnlich auftretenden Realsituationen anwenden. Solches Vorgehen basiert u.a. auf der Arbeit des brasilianischen Theatermachers Augusto Boal, der damit Menschen Möglichkeiten gegeben hat, ihre Konflikte in theatraler Form sichtbar zu machen und Handlungsalternativen zu entwickeln.

Die Wirkkraft des Forumtheaters wollten wir unbedingt beim ersten öffentlichen Konvent des DialogRaumGeld im Mai 2022 als Methode erlebbar machen. Und so wurden den Kongressteilnehmenden in einer Abendveranstaltung unterschiedliche Geldkonflikte vorgespielt, in die sie aktiv eingreifen konnten. Die eingangs dargestellte Szene entstammt der Abendaufführung, wenngleich in leicht abgewandelter Form.

Nina Roob erläutert Oliver Sachs den geplanten Ablauf des Workshops beim Konvent des DialogRaumGeld (Foto: Leo Schenk)
Die Laienschauspieler:innen proben eine Konfliktszene für die Abendveranstaltung (Foto: Leo Schenk)

Vorbereitung auf die Abendveranstaltung

In mehreren Phasen bereiteten wir die große Abendveranstaltung vor, was mit dem Einarbeiten in die Vorgehensweise durch mehrere Videotreffen unserer fünfköpfigen Gruppe (Irmela Fischer, Holger Kreft, Christoph U. Mayer, Nina Roob, Oliver Sachs) begann. Darauf folgte ein Workshop mit Kongressteilnehmenden am Tag der Aufführung, um Konfliktgeschichten zu finden, aufzubereiten und aufzuführen.

Warum überhaupt Forumtheater?

Doch warum überhaupt mit Theater an das Thema herangehen? Wir sind der Ansicht, dass die hautnahe Darstellung individueller Geldkonflikte betroffen machen kann: Und wenn zudem eingeladene Entscheider:innen (insbes. Politiker:innen und Unternehmer:innen) selbst mit auf die Bühne gehen, in einige der vorhandenen Rollen schlüpfen und somit die möglichen Perspektivwechsel mitmachen, lassen sie sich dadurch vielleicht sogar berühren und versuchen später einige der gesammelten Lösungswege in die Tat umzusetzen. Mit ihren im Forumtheater gemachten Erfahrungen und durch kollektives Wissen gereifte Lösungsansätze können sie weitsichtigere Entscheidungen als bisher treffen. Solche Entscheidungen sind auch mehr oder minder strukturell bedeutsam und reichen über die Ebene zwischenmenschlicher (Konflikt-)Beziehungen weit hinaus. Daher wird eine erweiterte Form des Forumtheaters, das Legislative Theater, bereits gelegentlich bei der Vorbereitung von Gesetzestexten eingesetzt (siehe Tiroler Teilhabegesetz von 2017).

In der Abendveranstaltung steht der Konflikt in einer anderen Spielszene kurz vor einer möglichen Lösung (Foto: Leo Schenk)

Weiteres Erkunden

Mit diesem Potenzial wollen wir den Weg bahnen von der Bearbeitung individueller Konflikte zu strukturellen Veränderungen. Ob und wie dies in Bezug auf das Thema Geld mit Forumtheater nachhaltig möglich ist, wollen wir in den nächsten Monaten genauer herausfinden. Für uns ist das eine Entwicklungsaufgabe, um einen von vielen möglichen Transformationspfaden zu erkunden. Wir befinden uns damit auf einer Forschungsreise.

Mehr Details zu unserer Aufführung und unsere Gedanken dazu findet ihr hier in der Langfassung auf einer anderen Webseite. Eine Veröffentlichung des Artikels ist in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift HUMANE WIRTSCHAFT geplant.